Documenta11_Platform5_Kurzführer: Park Fiction

Documenta11_Platform5_Kurzführer: Park Fiction

Image „Eines Tages werden die Wünsche die Wohnung verlassen und auf die Straße gehen … Sie werden dem Reich der Langeweile, der Verwaltung des Elends ein Ende bereiten.“ Das wurde das Leitmotiv einer Gruppe von Künstlerinnen und Musikerinnen, die sich 1994 einer Bürgeriniative an St. Paulis Hafenrand anschlossen, dem Rotlichtbezirk in Hamburgs ärmstem Wohnquartier. Ziel der Bürgerinitiative war es, die Bebauung der letzten Freifläche zu verhindern und stattdessen einen kollektiv zu entwerfenden Park durchzusetzen.
PARK FICTION,gegründet 1994 in Hamburg, Deutschland.MARGIT CZENKI, GÜNTHER GREIS, DIRK MESCHER,
THOMAS ORTMANN, KLAUS PETERSEN, CHRISTOPH
SCHÄFER, SABINE STÖVESAND, AXEL WIEST“Eines Tages werden die Wünsche die Wohnung verlassen und auf die Straße gehen … Sie werden dem Reich der Langeweile, der Verwaltung des Elends ein Ende bereiten.“ Das wurde das Leitmotiv einer Gruppe von Künstlerinnen und Musikerinnen, die sich 1994 einer Bürgeriniative an St. Paulis Hafenrand anschlossen, dem Rotlichtbezirk in Hamburgs ärmstem Wohnquartier. Ziel der Bürgerinitiative war es, die Bebauung der letzten Freifläche zu verhindern und stattdessen einen kollektiv zu entwerfenden Park durchzusetzen. Die Kampagne und der folgende Planungsprozess verbündeten und bereicherten in einzigartiger Weise Kunst, Subkultur und Politik. Nicht nur um eine Grünfläche ging es, sondern um die Organisation eines kollektiven Prozesses, bestimmt von den individuellen Sehnsüchten und Wünschen der Anwohnerinnen. Die „Wunschproduktioti“ wurde wirtschaftspolitischen Interessen der „imagecity“ (Schäfer) entgengestellt. „infotainment“ – Vorträge, die Entstehung des Parks vorwegnehmende Aktionen, Konzerte, Raves, OpenAir-Filmvorführungen und Ausstellungen – stellte die Basis für den Planungsprozess her, indem die sozialhistorische und- politische Bedeutung von Gärten und Parks sowie die Konstruktion öffentlicher Räume reflektiert wurde’Die Künstlerinnen Christoph Schäfer und Cathy Skene entwickelten verschiedene „Tools“
um die Formulierung von Wünschen zu ermöglichen: Ein Wunsch-Archiv, eine Garten-Bibliothek, in Knet Büro, eine Wunsch-Hotline, ein Planungscontainer und ein ,Action-Kit (mobiler Planungskoffer) wurden eingerichtet, Fragebögen und Pläne zum Ausfüllen verteilt.

Margit Czenki stieß 1997 zur Park Fiction-Gruppe, um in einem Film die emphatische Qualität des Planungsprozesses einzufangen. Der Film zeigt die Unterschiedlichkeit der Beteiligten und lässt die Vielstimmigkeit der Wünsche sichtbar werden. Der offene Entwurfsprozess beförderte ein gemeinsames Filtern und Verschmelzen der ästhetischen und praktischen Wünsche ebenso wie deren politische Durchsetzung. Immer wieder geäußerte Wünsche – z. B. einen Brunnen zu bauen -wurden mit Einzelentwürfen, etwa dem „Seeräuberlnnen-Brunnen“, in Verbindung~ gebracht. Die Frage, ob es „Erdbeerbaumhaus, in das Erwachsene nicht hinein dürfen“, geben solle, wurde allgemein bejaht.

Die Bebauung der Freifläche konnte verhindert werden. Das Projekt von Park Fiction befindet sich nach acht Jahren radikal demokratischer Planung mitten in der Verwirklichung. Es ist damit ein einmaliges Beispiel konzeptueller Kunst, in dem die Trennung des privaten und des öffentlichen Raumes überwunden und die unterschiedlichen Interessen füreinander fruchtbar gemacht werden konnten. „Der Park ist ein utopischer Ort, sein Vorbild ist das Paradies … Der Park Verspricht, was die Welt sein könnte.“ (Filmzitat)

Christiane Mennicke