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Park Fiction likes Gezi Park

Support #occupygezi heute 14 Uhr ab Hamburg Hauptbahnhof

Park Fiction Komitee, 8. Juni 2013

Einige von uns waren in den letzten Monaten in Istanbul. Wir kennen die lange Liste neoliberaler Transformationsprojekte, die die größte Stadt Europas derzeit überziehen. Dass ausgerechnet der Gezi-Park-Protest zu einer das ganze Land erfassenden Aufstandsbewegung führen wurde, hatten wir vor drei Wochen so wenig geahnt, wie die Aktivistinnen der Taksim Plattform.

Doch Symbolisch bringt der Ort vieles auf den Punkt: Gezi Park grenzt direkt an den Taksim Platz. Wie kein anderer Ort steht der Taksim für Demokratie in der Türkei, und, seit dem Massaker vom 1. Mai 1977, für den Kampf gegen Autokratie und staatliche Gewalt.

Und kein Projekt symbolisiert den derzeitigen Kurs der Regierung besser, als Erdogans Plan, den Gezi Park zu beseitigen und an seiner Stelle eine Shoppingmall im Stil einer osmanischen Kaserne zu errichten. Der neoliberale Stadtumbau hat sich ein islamisches Mäntelchen umgeworfen und knüpft an die despotischen Traditionen des untergegangenen Imperiums an.

Sprachen wir in den letzten Monaten mit unseren Istanbuler Freundinnen und Freunden, spürten wir die Wut, die Fassungslosigkeit, und die Ohnmacht gegenüber einem immer ruchloser vorgehenden Stadtumbau. „Es gibt keinen Raum für Verhandlungen“ – so die übereinstimmende Einschätzung von Taksim Plattform Aktivist_innen, Unterstützer_innen der Gecekondus, Denkmalschützer_innen oder Anwält_innen. „Die letzten offenen Orte der Stadt verschwinden“ – „Istanbul ist nicht wieder zu erkennen.“

Protestkonzerte. Temporäre Parkbespielungen. Deutliche Worte der Istanbuler Architektenkammer. 100.000 Unterschriften gegen Erdogans Gezi-Plan. Vergeblich. Die Kommission für Denkmalschutz, die das Shopping-Projekt ablehnt, wird von Erdogan kurzerhand für nicht zuständig erklärt, und bekommt eine neue Kommission, besetzt mit Willfährigen, vor die Nase gesetzt.

Jetzt ist das Fass übergelaufen. Die Gründe für die Revolte sind Legion: Bei einem Besuch der Istanbuler Universität rückte Erdogan im vergangenen Jahr mit 2500 Polizisten an. 800 Studenten protestierten – die Polizei verprügelte Studierende, verwüstete Professorenbüros und Uni, über 1000 Studierende sitzen seitdem im Knast. In keinem Land der Welt sitzen mehr Journalisten im Gefängnis. Der von Roma bewohnte Stadtteil Sulüküle wurde komplett abgerissen und durch die staatliche Wohnbaugesellschaft TOKI mit Häusern im Ferienhausstil für die neuen islamischen Mittelschichten bebaut: Ein Gericht erklärte den Abriss nachträglich für illegal. Das gleiche Spiel an allen Ecken und Enden der Stadt: Enteignungen, Loft-Büro-Blöcke mit osmanisierenden Betonaluglasfassaden im Einwanderer-, Kurden- und Transen-Viertel Tarlabasir. Abrisspolitik in den zu Erdbebenzonen erklärten Randgebieten. Das „Mad Project“ – der Plan,  den Bosporus mit einem zusätzlichen Kanal zu durchschneiden. Die Bewerbung für die Olympischen Spiele 2020. Der „Galata Port“ – die Hafencitisierung von Beyoglu für den Kreuzfahrttourismus. Alkoholverbot ab 22 Uhr. Gated-Community-Hochhaus-Ensembles kreisen die Stadt ein. Der von Tränengasattacken, Polizeiprügel und Verhaftungen begleitete Abriss des Emek Kinos. Der unter dem Vorwand der Verschwörung gegen Richter, Generäle, kritische Journalisten geführte Großprozess.

Erdogans Willkühr und Autokratie verbinden diese Ereignisse. Der Gezi-Park-Protest hat sich längst zu einem Aufstand gegen diese Politik insgesamt entwickelt.

Wir sehen in den Ereignissen auf den Strassen der türkischen Metropolen die Umrisse einer neuen Gesellschaft, die im traditionellen Parteienspektrum nicht abgebildet ist. Diese unerkannte Mehrheit konnte nur als Aufstand sichtbar werden. Und wir haben die Hoffnung, dass diese neue urbane Bewegung den nationalistischen Geist hinter sich lässt und die Bevormundung durch despotische Regierungsmoralisten abschüttelt.

Park Fiction entstand aus dem Widerstand St. Paulis gegen die Bau-Pläne der Stadt. Nachbarinnen und Nachbarn türkischer Herkunft haben sich damals an den Protesten und Plänen beteiligt, das blaue Tulpenfeld erinnert bis heute an Lale Devri, die Tulpenzeit der Freiheit und Kulturentwicklung am Bospurus.

park fiction gezi park hamburg

Wir können die Dramatik und Tragweite der Ereignisse in Istanbul und die Brutalität der staatlichen Reaktion nicht mit Hamburg vergleichen. Doch wir wissen aus den Auseinandersetzungen um das Recht auf Stadt hier, wie wichtig es ist, um symbolische und politisch bedeutsame Orte zu kämpfen – und wie wichtig diese öffentlichen Orte sind, wenn die Wünsche sich versammeln um auf die Strasse zu gehen.