Park Fiction Communiqué No.1 / 2013
2010. Es geschieht im Morgengrauen: Plötzlich sind die Schlösser zum Pudelsalon ausgetauscht, die Eingänge verrammelt. Bauzäune sichern das mitten im Park Fiction gelegene Grundstück. Mitarbeiter, Pudel-Booking und Besucher stehen vor verschlossenen Türen. Und wir kommen nicht mehr ans Park Fiction Archiv ran. Klammheimlich hat der Besitzer gewechselt. Einer davon, Wolf Richter, hat Tatsachen geschaffen. Seitdem ist der von Vielen erkämpfte und ermöglichte Ort im Park Fiction – enteignet.
Park Fiction wird ab 1995 von einem Netzwerk aus der Nachbarschaft erdacht, politisch durchgesetzt, und geplant. Entstanden in einem der ganz wenigen Bottom-Up-Planungsprozesse, ist der Park bis heute einzigartig.
Mit der Durchsetzung des Parks wird auch der Golden Pudel Klub vor dem Abriss gerettet – und bekommt einen langfristigen Pachtvertrag. Auf dieser Basis wird das Haus saniert, und der Pudelsalon gebaut.
Uns gefiel die Vorstellung, die Park Fiction Ideen im Kontext des Pudelsalons weiter zu entwickeln. Im Pudelsalon sollte das Park Fiction Archiv öffentlich zugänglich werden. Kernstück ist die komprimierte Park Fiction Documenta Arbeit, die 2002 in Kassel ausgestellt war. Die Sammlung aus Wünschen, Action Kit, Videos, Modellen, Kunst und Bibliothek ist wichtig für alle Kritiker_innen neoliberaler Stadtplanung auf St. Pauli – und eine Inspirationsquelle für Aktivist_innen, Stadt-neu-Erfinder_innen und Gäste aus aller Welt. Diskussionen zu Stadtpolitik im Pudelsalon und Aktionen im Park sollten die Ausstellung begleiten. Um das möglich zu machen, steckt Park Fiction 15.000 Euro aus Kulturmitteln in die Pudel-Sanierung.
Der Pudel hat eine eigene Logik: Er ist von Musik und MusikerInnen geprägt. Der Pudel ist keine Abspielbühne sondern eine Plattform des Austauschs, Produktionsort neuer Ideen, Lebenselixier, ein Ort an dem man überraschend etwas geschenkt oder vorgesetzt bekommt. Der Pudel hat sich seit 1993 mehrmals neu erfunden – ganze Generationen von MusikerInnen konnten hier ihren Stil entwickeln. Bleibt beim Pudel Geld übrig, fliesst das zurück in den Aufbau der Szene. Entscheidungen werden eher informell getroffen.
Der Pudelsalon war als inhaltliche Erweiterung gedacht, für Lesungen, Debatten, und für Aktionen, die in den Park hineinspielen – wie die legendären umsonst Auftritte von Momus oder Gustav. Der Salon sollte sich selbst tragen und keinen Gewinn abwerfen – ein Ort, wo ohne Druck Bücher gelesen oder geschrieben oder endlose Gespräche geführt werden.
Im Vertrauen auf diese Verbindung zwischen Park & Pudel, hat die Stadt einen sechsstelligen Betrag aus dem Parkbudget investiert, um die obere Geschossebene des Pudels zu erschliessen, und das Amphitheater gebaut. Die Café-Lizenz fürs Obergeschoss gab ’s im Tausch gegen den Betrieb öffentlicher Toiletten für den Park.
Um den Pudel abzusichern, kauft Rocko Schamoni das Gelände nach der Sanierung. Rockos Fehler: Statt Verantwortung und Risiko mit den MacherInnen des Pudels zu teilen, nimmt er einen Kumpel aus Kindheitstagen, Wolf Richter, mit ins Geschäft. Ohne Interesse für die Kultur des Ladens, reißt der sich immer größere Teile des Hauses unter den Nagel.
Nach der Willkür-Aktion des neuen Halbeigentümers gelingt es uns nur mit anwaltlicher Unterstützung, wieder Zutritt zum Park Fiction Archiv zu bekommen. Der Pudel selbst und alle anderen Geschädigten, schrecken davor zurück, ihre Rechte juristisch durchzusetzen. In Gesprächen mit Wolf suchen sie zu einer Einigung zu kommen. Doch ohne Erfolg. Gegen alle Absprachen mit den Beteiligten, gibt Richter die oberen Geschosse an eine externe Gastronomin. Seitdem betreibt Terry Krug dort das Oberstübchen – ein Bionade-Biedermeier-Lokal mit Elbblick und Betriebsfeier-Vermietung, wie es an sämtlichen Ecken und Enden die Städte verlangweiligt..
Mit Rücksicht auf die Pudel-Szene haben wir versucht, das Archiv im neuen Setting zu erproben. Doch es funktioniert nicht. Absprachen mit Terry Krug sind nicht möglich – die Geschäftsfrau hält Vereinbarungen nicht ein. Krug, der es nach eigener Aussage um Gewinnerzielung geht, wälzt Kosten ab, wo es geht: Die Kredite für Sanierung und Hauskauf zahlt allein der Golden Pudel Klub – das profitliche Oberstübchen wird also von der künstlerischen Arbeit des Pudelklubs quersubventioniert.
In dem so geprägten Ambiente ist eine kritische Auseinandersetzung mit Stadtentwicklung, für die Park Fiction steht, absurd.
Die vom Oberstübchen privat enteigneten Räume wurden
– von Vielen ermöglicht und erkämpft;
– mit erheblichen öffentlichen Mitteln erschlossen;
– von der Stadt zu einem politischen Preis an die jetzigen Eigentümer verkauft;
…um im Park an zentraler Stelle eine wichtige soziale und kulturelle Ressource für die ganze Stadt zu schaffen. Das ursprünglich geplante Zusammenspiel ist ein Bestandteil des im Viertel entwickelten Park Fiction Konzepts – und seitdem blockiert. Das Amphitheater liegt brach.
Lange haben wir diese miese Nummer unkommentiert gelassen. Damit ist ab heute Schluss.
Trinkt Euren Latte woanders.
HH, Mai 2013,
Park Fiction Kommitee,
www.park-fiction.net