Mit heutigem Datum geht der folgende Aufruf, unterzeichnet von rund 60 Erstunterzeichner*innen aus dem internationale Kunstfeld, an:
Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler Stadtentwicklungssenatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt
Innensenator Andy Grote
Umweltsenator Jens Kerstan
Oberbaudirektor Jörn Walter
Bezirksamtsleiterin Altona Liane Meltzer
Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte Falko Drossman
International Call
Verteidigt die künstlerische Integrität von Park Fiction:
Rettet den Golden Pudel Club!
„Sind die besonderen städtischen Bedürfnisse etwa nicht Bedürfnisse nach geeigneten Orten, Orten der Gleichzeitigkeit und Begegnung, Orten, an denen der Tausch nicht über den Tauschwert, den Handel und den Profit erfolgt?“
Henri Lefebvre, Das Recht auf Stadt, 1968
„Der Pudel ist mehr als nur ein Club (…). Es ist einer dieser Orte, von denen es leider nur noch sehr wenige gibt, an denen sich Menschen treffen, sich austauschen und sich Dinge entwickeln. Klar gibt es genügend ‚Ausgehmöglichkeiten‘, an denen man sich besaufen kann, um in seiner eigenen Passivität zu ertrinken! Aber diese Orte, die nicht wie ein Fertigessen, in der Mikrowelle erwärmt, einem zum Fraß vorgesetzt werden, die man eigentlich erst dann wirklich selber verstehen kann, wenn man selber aktiv wird, sind rar gesät. Der Pudel ist so ein Ort. Und er hat mich aktiv werden lassen, mich mit Leuten zusammen gebracht, die ich sonst wohl niemals getroffen hätte (…).
Kein Feuer kann das zerstören. Wir lassen uns das nicht wegnehmen.“
Helena Hauff, Groove, 25. Februar 2016
Wir, die Unterzeichnenden, unterstützen die Bestrebungen, den Golden Pudel Club als Teil des Gesamtkunstwerks Park Fiction zu erhalten.
Park Fiction ist Hamburgs prominentestes Beispiel für Kunst im öffentlichen Raum. Der Kerngedanke des Projekts ist die Aneignung der Stadt durch die Vielen. Das gesamte Gefüge aus Park und Pudel wurde in einem von der Nachbarschaft selbst organisierten, unabhängigen und öffentlichen Prozess mit künstlerischen Mitteln geplant, und von Nachbar*innen und Künstler*innen anstelle einer dort geplanten Bebauung durchgesetzt.
Die Brandstiftung am Golden Pudel Club hat dem Park das Herz herausgerissen. Ohne Pudel ist der Park wie Versailles ohne Schloß, wie die Mona Lisa ohne Lächeln. Als das Park Projekt 1994 begann, war der Golden Pudel Club bereits da – und auch damals von Abriss bedroht. Seitdem ist der Pudel integraler Teil des Park-Konzepts.
Über seine unbestrittene Bedeutung für die internationale Musikszene hinaus ist der Club das musikalische und subkulturelle Kernstück des Parks. Der Club soll Impulse in den Park hinein senden und aufgreifen.
Es war erklärtes Ziel der Park Fiction Initiative, keinen „öffentlichen Normraum“ zu schaffen, der Pudel soll künstlerisch provozieren, aufrütteln, verblüffen. Und als Ressource für den Park funktionieren.
Deshalb ist ein Teil des Parks um den Pudelclub herum konzipiert und gebaut. Eine beträchtliche Summe öffentlichen Geldes wurde ausgegeben, um den Pudel von oben, direkt vom Park durch ein Amphitheater zu erschliessen. Das Park Fiction Archiv war im Pudelsalon, über dem Club, installiert, ist jetzt durch Löschwasser schwer geschädigt. Doch das ist nicht das Hauptproblem.
Die enge Verknüpfung des Hauses mit dem öffentlichem Raum ist eine wertvolle – aber fragile Verbindung. Denn es kommt genau darauf an, mit welcher Haltung dieses Haus bespielt wird.
Im Zuge der Park-Planung, um die Jahrtausendwende, hatte deshalb der Bezirk Altona mit den Betreibern des Golden Pudel Clubs einen direkten Pachtvertrag abgeschlossen. Dessen Bedingungen wurden 1997-2002 am Runden Tisch Antonipark, der den Park Fiction Prozess als Entscheidungs- und Koordinierungsgremium begleitet hat, ausgehandelt: Zwischen Behörden, Künstler*innen, Nachbar*innen, Kirche, Schule und GWA-Stadtteilzentrum, Park Fiction und Pudel. Der Vertrag hatte das Ziel, die bereits damals von der Politik als schützenswert erkannte kulturelle Nutzung durch den Golden Pudel Club langfristig und kostengünstig abzusichern. Die Nutzung des Obergeschosses als Café war zudem an die Bedingung geknüpft, Toiletten für alle Parknutzer*innen zur Verfügung zu stellen.
2007, Hamburg wurde zu dieser Zeit von der CDU alleinregiert, verkaufte die Finanzbehörde zahlreiche stadteigene Grundstücke – darunter auch das des Pudelclubs – ohne die besondere Lage im Park zu berücksichtigen. Die Käufer, zwei der Golden Pudel Club Teilhaber, sprachen ihre Aktion nicht mit den bisherigen Akteuren ab – weder Park Fiction, das Pudelteam noch andere Teilhaber wurden informiert. Die Hoffnung, durch das neue Eigentümermodell den Pudel dauerhaft im Park abzusichern, platzten nach kurzer Zeit: Einer der neuen Teilhaber, W. Richter, überwarf sich mit der gesamten Pudelszene und Park Fiction und agiert seitdem gegen den Club.
Nach dem Brandanschlag droht nun das endgültige Aus: Die Wiederherstellung des Pudelclubs wird derzeit durch Teil-Eigentümer Wolf Richter verhindert. Der hat auch die anstehende Teilungsversteigerung des Hauses erzwungen, will angeblich selbst das Grundstück kaufen – und hat, nach der Brandstiftung, inzwischen sogar versucht, den Golden Pudel Club zu kündigen.
Park Fiction steht paradigmatisch für eine Kunst, die in den Stadtraum interveniert. Seit der Ausstellung auf der Documenta11 im Jahr 2002 ist es ein internationales Referenzbeispiel, das als gesamtes Ensemble lebendig bleiben muss und nicht verfälscht werden darf.
Der Begriff der kollektiven Wunschproduktion, wurde durch Park Fiction in die Stadtplanung eingeführt. Die Verbindung von Kunst mit musikalischer Subkultur hat einen groove in den kollektiven Prozess gebracht, der in normalen politischen und planerischen Verfahren fehlt. Auf spielerische Weise hat das Projekt gezeigt, wie Stadtplanung von unten als Plattform des Austauschs funktionieren kann.
Diese Herangehensweise gewinnt zunehmend an Bedeutung – die interessantesten Projekte arbeiten mit Kunst, um dem lokalen Wissen in Planungen Gestaltungsmacht zu geben. Der Werkgedanke der Kunst spielt in diesen Aneignungsprozessen eine zentrale Rolle – und mit Park Fiction hat Hamburg bereits in den 90erjahren einen Meilenstein gesetzt, der nun in seinem Kernbestand gefährdet ist.
Die Aktivitäten des Park Fiction Komitees gemeinsam mit dem Pudel-Team und dem VerFüGe (Verein für Gegenkultur) und zahlreicher Unterstützer*innen zielen darauf ab
– den Golden Pudel Club zu erhalten
– die dauerhafte Herauslösung des Grundstücks aus dem Markt umzusetzen
– dem Pudel dadurch maximale künstlerische Freiheit zu garantieren
– die Obergeschosse in einem kollektiven Prozess gemeinsam mit Pudel und Park Fiction für Künste und Nachbarschaft neu zu definieren
Wir unterstützen die vom Golden Pudel Club zusammen mit dem anderen Teil-Eigner, Rocko Schamoni, entwickelte Idee einer Übernahme des Grundstücks durch eine gemeinnützige Stiftung. Wir fordern alle Beteiligten, alle Interessierten, die Verantwortlichen in Senat, Politik und Behörden auf:
Setzen Sie alle ihre Mittel dafür ein, um diese Lösung umzusetzen.
Park Fiction Komitee
Margit Czenki, Birgit Hornung, Daniel Kamiab, Justus Linz, Rebecca Lohse, Jenny Maruhn, Michael Reinermann, Christoph Schäfer, Nicole Vrenegor
Erstunterzeichner*innen:
Fulya Erdemci, Kuratorin, 13. Istanbul Biennale
Prof. Alice Creischer, Künstlerin, MA Raumstrategien, Weißensee, Berlin
Prof. Andreas Siekman, Künstler, MA Raumstrategien, Weißensee, Berlin
Prof. Grant Kester, Director, Ph.D. Program in Art History, Theory and Criticism, University of California, San Diego
Amelie Deuflhard, intendantin, Kamnagel, Hamburg
Doina Petrescu, Atelier Architecture Autogeree, Paris, Visting Professor, Harvard University, Cambridge, Boston
Charlotte Cullinan, Jeanine Richards, Nicolas Masters, Emily Masters, 4COSE, London
Sophie Golz, Stadtkuratorin, Hamburg
Hans D. Christ, Direktor, Württembergischer Kunstverein Stuttgart
Sophie Schasiepen, Kuratorin, Cape Town
Dr. Hanna Katharina Göbel, Institut für Bewegungswissenschaft, Uni Hamburg
Shaina Anand, Ashok Sukumaran, CAMP, Mumbai
Tanja Ostojic, Künstlerin, Belgrad/Berlin
Pilar Villela Mascaró, Kurator, Mexico D.F.
Amadou Kane Sy, Künstler, Dakar
Prof. Yvonne P. Doderer, Architektin, HSD, Düsseldorf
Melissa Logan, artist, Chicks On Speed, Köln
Axel Claes, artist, PTTL, Brüssel
Jakob Jakobsen, artist, Copenhagen
Apolonija Šušteršič, artist, Ljubljana/Amsterdam
Pia Lanzinger, Künstlerin, München
Hito Steyerl, Künstlerin, Berlin
Pro qm, thematische Buchhandlung, Berlin
Anne Querrien, sociologist, co-editor of the journal Multitudes, Paris
Peter Murtschler, PS2, Belfast
Jochen Becker / metroZones, Berlin
Oliver Ressler, Künstler, Wien
Antje Schiffers, Künstlerin, Berlin
Bert Theis, Künstler, Kurator, Aktivist, Isola Art Center, Mailand
Professor für zeitgenössiche Kunst, NABA-Akademie, Mailand
Muhsana Ali, artist, Portes et Passages du Retour Association, Dakar
Stephan Schmidt-Wulffen, Rektor, New Design University, St. Pölten
Prof. Sabeth Buchmann, Akademie der bildenden Kunst, Wien
Zanny Begg, artist, Sydney
Adam Page & Eva Hertzsch, artists, Berlin
Malte Struck, Künstler, Hamburg
Till F.E. Haupt, subsoziale performance, Gängeviertel, Hamburg
Prof. Michaela Melián, artist, Hochschule für bildende Künste, Hamburg
geheimagentur, Performance Kollektiv, Hamburg
Marina Vishmidt, writer, critic, London
Anke Hagemann, Co-Editor An Architektur, Berlin
Prof. Karen van den Berg, Zeppelin Universität, Friedrichshafen
Hanna Mittelstädt, Verlegerin, edition nautilus, Hamburg
Markus Ambach, Kurator, Düsseldorf
Stefan Römer, Künstler, Autor, Berlin
Elke Rauth, dérive – Zeitschrift für Stadtforschung, Wien
Dr. Christiane Mennicke, Direktorin, Kunsthaus Dresden