DAS EXPLODIERTE ARCHIV


DAS EXPLODIERTE ARCHIV

Image Park Fiction Presseerklärung, 12. Oktober 2006DAS EXPLODIERTE ARCHIV
Park Fiction zieht Entwurf zurück

2003 empfahl die vom Hamburger Senat bestellte Kunstkommission, Christoph Schäfers Entwurf für das Park Fiction Archiv für Unabhängigen Urbanismus zu realisieren. In einem über dem Park schwebenden Container sollte eine komprimierte Fassung des auf der Documenta11 ausgestellten Park Fiction Archivs gezeigt werden, und so den kollektiven Planungsprozess und die Wunschproduktion, die das Projekt bereits vor seiner Realisierung bekannt gemacht hatten, an dem Ort sichtbar machen, der dadurch geschaffen wurde. Das aufgeständerte Archiv ist bereits seit dem Jahr 2000 Teil des Gesamtplans, mit allen Anrainern und mit allen Behörden am Runden Tisch abgestimmt. Zugänglich für die Nachbarn, die den Park ja erstritten und entworfen haben, wie für Interessierte aus aller Welt.Das Vorhaben wird seit Jahren durch den Bauausschuss des Bezirks Hamburg Mitte blockiert. Als der Ausschuss im vergangenen Jahr die Genehmigung mit der Begründung verweigerte, das Werk sei nicht schön, setzte eine Welle von Protestaktionen ein. Die Presse berichtete durchgängig äußerst kritisch über die Entscheidung der Bezirkspolitiker.

In einem weiteren Anlauf versuchten der Künstler, Architekten, Anwohner und die Kulturbehörde, die Bezirkspolitiker zum Umdenken über das Werk zu bewegen. Vergeblich: die Politiker haben keinerlei Scheu, in Details, wie auch die Grundkonzeption des Entwurfs hinein zu reden, respektieren weder die Kompetenz des zuständigen Fachgremiums, noch die Integrität des künstlerischen Entwurfs.

Wir haben lange überlegt, wie wir auf diese fortgesetzte Zumutung reagieren sollen. Natürlich haben wir erwogen, den Rechtsweg zu beschreiten, zumal die Justitiarin der Kulturbehörde dahingehend Rechtsauskunft erteilte, dass der Bauausschuss des Bezirksparlaments in dieser Sache gar nicht entscheiden darf, sondern nur informiert werden muss. Dennoch scheint sich unser Rechtsanspruch politisch nicht durchsetzen zu lassen.

Auf einen jahrelangen Rechtsstreit wollen wir uns – jedenfalls an dieser Stelle – nicht einlassen: die Idee würde weiter zermürbt, die Strukturen, die über Jahre aufgebaut wurden, um das Archiv zu betreiben, drohen auseinanderzufallen.

Dem übergriffigen Kleingeist mit einer Verfälschung des Entwurfs entgegen zu kommen und durch diesen faulen Kompromiss auch noch Legitimation zu verleihen, kommt für uns ebenfalls nicht in Frage.

Wir ziehen deshalb unseren Entwurf zurück.
Doch die Aufgabe, die durch den Bau des an El Lissitzkys Wolkenbügel orientierten Entwurfs glanzvoll hätte gelöst werden können, bleibt bestehen: denn der Prozess, durch den der Park entstand, ist ihm in seiner jetzigen Form nicht abzulesen – die Inhalte, die Brisanz, die Radikalität, das über den Ort im engeren Sinne hinausweisende, modellhafte – wurde unsichtbar gemacht.

Park Fiction wird deshalb in den kommenden Wochen einen Entwurf unter dem Arbeitstitel DAS EXPLODIERTE ARCHIV entwickeln, und sich umgehend mit der Kulturbehörde über einen Realisierungszeitplan verständigen.

Wir können schon heute verraten, dass ein Skulpturenboulevard der Nichtrealisierten Wünsche angedacht ist, und elektronische Zugänge zum Archiv. Ausserdem sind wir in aussichtsreichen Verhandlung über einen temporär zugänglichen Ort für ein, zwar stark verkleinertes, aber begehbares Archiv – im Park.

Wir denken, so die ursprünglich angedachte Funktion des Archivs doch noch, in anderer Form, aber inhaltlich unverbogen, und in der gebotenen Würde, realisieren zu können.

Dennoch ist dies ein schwarzer Tag für die Kunst.

Christoph Schäfer, Margit Czenki, für Park Fiction

P.S.:
Das Park Fiction Archiv war auch als Institut für urbane Recherchen und Experimente geplant. Und Reflektionen über das urbane Feld sind natürlich weiter nötig: Nicht nur um uns – und Ihnen – in diesem Sinne die Stimmung aufzuhellen, laden wir nochmal nachdrücklich zu dem hochkarätig besetzten Symposium UMSONST & DRAUSSEN am Samstag den 14. Oktober 2006, ab 13 Uhr, im Park ein. Ein Jahr vor den skulpturprojekten Münster und Documenta 12 werden internationale Referentinnen über die Kunst im öffentlichen Raum reflektieren – vielleicht auch darüber, dass diese niemals in einem machtfreien Raum stattfindet.

Mehr dazu, abstracts, und Programm auf den brandneuen Webseiten: www.parkfiction.org

Artikel:
Joachim Miscke im „Hamburger Abendblatt“, 13.10.2006:
„Der Kunst-Park, der Kiez und das Geld“
 http://www.abendblatt.de/daten/2006/10/13/624006.html

Belinda Grace Gardner in „Die Welt“, 13.10.2006:
„Hängendes Archiv wird vermutlich zur Explosion gebracht“
 http://www.welt.de/data/2006/10/13/1068916.html