Warum Park Fiction den Pudelsalon braucht und der ganze Pudel kollektiviert werden muss

Vortrag für die Operation Pudel in der Fabrik. Die Party am Samstag den 23. November 2013 hat Geld für die Pudel VerFüGe gesammelt. Die Verfüge wird Rocko Schamonis Anteil kollektivieren – mit dem Ziel, das gesamte Gelände des Pudels dauerhaft dem Markt zu entziehen und auf Dauer zu sichern. Der Text gibt die Position des Park Fiction Komitees wieder.

Sehr geehrte Damen und Herren, Ladies and Gentlemen,

 

1994 haben wir begonnen, für einen Park in St. Pauli zu kämpfen. Damals wollte die Stadt das Gelände verkaufen, den Golden Pudel Klub abreissen, und den Blick auf die Elbe mit einem Betonriegel verschliessen.

Park Fiction Pudel Club

Wie Sie, verehrte Anwesende, wissen, ist es dazu nicht gekommen. Wir haben gemeinsam den Bebauungsplan gekippt, den Park selbst geplant. Der Park wurde 2005 eröffnet, der Golden Pudel Klub gerettet.

Why we won - Park Fiction

 

Gewonnen haben wir, weil wir in einem Nachbarschaftsnetzwerk gearbeitet haben – Park Fiction war die Idee vieler Nachbarn, von Künstlern, der Hafenstrasse, der GWA St. Pauli, der Kirchengemeinde, der St. Pauli Schule – und des Golden Pudel Klubs.

Park Fiction Netzwerk Pudel Hafenstrasse St. Pauli Kirche

Da die Chancen, an dieser Stelle zu gewinnen, sehr schlecht standen, entwickelten wir Aktionsformen, die nicht einfach etwas fordern und den Staat addressieren, sondern Aktionen die den gewünschten Park vorwegnehmen, die an sich schon Spass machen oder bei denen man etwas lernt. Wir entwickelten zugängliche Planungstools wie den Action Kit, ein portables Planungsstudio für Hausbesuche. Wir organisierten den Planungsprozess als Spiel,  als Plattform des Austauschs: Sich gegenseitig schlauer machen.

Unauthorisierte Planer wie wir

Die Wünsche werden die Wohnung verlassen und auf die Strasse gehen.

Salatbar in Form eines Parks, Anja, Katrin, 1996

Nun haben wir diesen tollen Ort, doch mittlerweile steigen die Mieten in St. Pauli. Dauernd ist der Park Versuchen einer feindlichen Übernahme ausgesetzt, der Park taucht in Tourismusbroschüren der Stadt auf, in schlechten Fernsehproduktionen, die Eventindustrie versucht Fuss zu fassen. Rechtlich ist der Park ein öffentlicher Raum und eine Parkanlage der Stadt Hamburg.

Park Fiction 2003

Dennoch ist hier etwas anders, denn zugleich bleibt  Park Fiction der einzige gelungene Bottom-Up-Planungsprozess eines öffentlichen Raums in Hamburg – und ist damit eine dauernde Erinnerung daran, dass die Neuerfindung und Wiederaneignung des Zentrums durch die Stadtbewohner keine Utopie – sondern hier und jetzt machbar ist.

Fernando: Verräumliche Deine Wünsche

Auch das bedeutet „Recht auf Stadt“, und es ist deshalb kein Zufall, dass ausgerechnet hier eine der inoffiziellen Gründungsveranstaltungen der Recht auf Stadt Bewegung stattfand, nämlich mit dem screening von Olaf sobczaks, Irene Budes und Steffen Jörgs Empire St. Pauli im Juni 2009 im Park, das in einer mitternächtlichen Spontandemonstration endete.

eine inoffizielle Gründungsversammlung der Recht auf Stadt Bewegung Hamburg, 2009

Ein halbes Jahr später war die Recht auf Stadt Bewegung auf ihrem Höhepunkt, weil es uns in Hamburg für einen Moment gelungen ist, soziale Mieterkämpfe und subkulturelle Konflikte zu verknüpfen.

Vernetzung verräumlichter Kämpfe Hamburg 2010

Solche Orte, an denen sich eine andere Vorstellung von Stadt, von Gemeinsamkeit, von Austausch im Raum verankert, sind wichtig. Wir stecken mitten in dem Prozess, in dem die Fabrikgesellschaft sich in eine verstädterte Gesellschaft verwandelt. Die Stadt löst die Fabrik als Ort der Wertproduktion ab. Damit stellt sich die Frage, wie in dieser Stadtfabrik gelebt und gearbeitet wird und wie Widerstand, Kultur, neue Formen des Gemeinsamen und der Demokratie – und wie der Streik aussehen könnte.

public_address_2013

Orte wie der Park, wie die Rote Flora – aber auch der Pudel – machen es überhaupt erst möglich, eine Gesellschaft ausserhalb des Kapitalismus zu denken und zu organisieren. Hier materialisieren sich Ideen von Kollektivität, ob als Tanz, als Auftritt, als Diskussion, als gemeinsames Teetrinken oder als Fettes Brot Konzert. Deshalb ist es unumgänglich, für diese Orte zu kämpfen.

 

Grillmaster Flesh: Anne nimmt zwischen parkenden Autos vorweg, was ein Park sein könnte, Park Fiction 1995
Grillmaster Flesh: Anne nimmt zwischen parkenden Autos vorweg, was ein Park sein könnte, Park Fiction 1995

Manchmal sind solche Orte bloß Reservate oder Freizeitangebote oder gar Teil der Kreativindustrie in einer durchkapitalisierten Gesellschaft – jedoch, zum Mitschreiben: Durch die Verräumlichung dieser Konflikte und durch deren Vernetzung, kann Widerstand auf dem glitschigen Terrain der postfordistischen Stadt überhaupt erst Halt bekommen.

 

#Gezification

 

Diesen Sommer begann der Park eine wichtige Rolle zu spielen und sich abermals seine Berechtigung zu erarbeiten, wie es eine Genossin ausdrückte: Im Mai veranstalteten wir „Lass uns zusammen was essen“ und luden die Lampedusa Refugees aus der St. Pauli Kirche zum Grillen in den Park ein – denn das macht man, wenn man neue Nachbarn hat, die man informell kennen lernen will. Dafür braucht man eine gastliche, hedonistisch geprägte Atmosphäre. Das Echo aus der Nachbarschaft war überwältigend: alle brachten Essen im Überfluß mit, Ralf Köster servierte Musik dazu, der Abend entwickelte sich zu einem Gelage, bei dem es von Allem für Alle genug gab.

park fiction gezi park hamburg

Zwei Wochen später wurde der Gezi Park in Istanbul brutal von der Polizei geräumt, die Polizei fackelte den Baum der Wünsche am Taksim Platz ab.

baumderwuensche

Die Nachricht erreichte uns, als wir mit einigen Unterstützern der Roten Flora beim Bier saßen und wir entschlossen uns, den Park umzubenennen in Gezi Park Fiction St. Pauli. Margit Czenki hatte die Idee, den Akt als öffentliches Fotoshooting zu inszenieren. Nur 16 Stunden nach der Räumung des Gezi Parks in Istanbul war es soweit – unser Solidaritätsfoto ging in die Welt und wurde in den folgenden Tagen allein auf facebook 350.000 mal gesehen. Ich war ein paar Wochen später in Istanbul und viele Leute haben mir erzählt, dass dieses Signal aus Hamburg in der Situation der Niederlage verstanden wurde.

Park Fiction Gezi Park Hamburg

Ab da entwickelte sich der Park zu einem Ort der Solidarität mit Gezi – es gab Kundgebungen, Justus und Daniels Teewagen wurde zum Protestort. Der Taksim Pianist Davide Martello bekam einen Gezi Park Hamburg Button zugesteckt und spielte am nächsten Abend im Park.

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Diese Veranstaltungen waren durch die Bank nicht polizeilich angemeldet, und hatten ein anderes Publikum als eine klassische Demo, ermöglichen eine andere Art des Austauschs. Schliesslich gab es im Anschluss an das Spiel St. Pauli – Besiktas im August eine Spontandemonstration zum Gezi Park Fiction -die von einer Party empfangen wurde, bei der Erkan und Pudel DJ Booty Carrell auflegten.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Booty Carrell

Noch was zum mitschreiben: Nur an solchen, kulturell und durch die alltägliche Nutzung geprägten Orten, für die man keine Eintrittskarte braucht und kein Glaubensbekenntnis ablegen muss, kann das Gemeinsame sich re-konfigurieren, kann das Öffentliche neu erfunden werden.

rekonfihguriere das gemeinsame in einem öffentlichen raum

Wir sehen diese Aktionen auch als Versuche, eine Intercity Verbindung zwischen verräumlichten Kämpfen in unterschiedlichen Ländern herzustellen.

 

Lass uns mal über Geld reden.

 

Der Pudel war von vornherein als ein Bestandteil dieses Parks geplant. Der Pudel hat nicht nur Park Fiction unterstützt, sondern durch die Durchsetzung des Parks zunächst einen langfristigen Mietvertrag bekommen, der so günstig war, weil der Pudel im Gegenzug Toiletten für den Park betrieben hatte. Irgendwer kam auf die Idee, dass man das Dach des Pudelklos als Bühne nutzen könnte und so wurde das von vielen gewünschte Amphitheater in den Hang hinterm Pudel gebaut. Entworfen von einem Musiker der Sterne, um die kulturelle wie technische Infrastruktur des Ladens auch für Veranstaltungen aus dem Viertel nutzen zu können. Der Pudel sollte als künstlerische Herausforderung immer wieder in den Park hineinspielen. Bis vor wenigen Jahren fanden konsequenterweise dort die Pudel Open Airs statt, und nicht unter der Brücke, wie zur Zeit.

0054Pudelverfuege

Der Bau dieser Stufentreppenanlage hat rund eine Viertelmillion Euro aus dem Parkbudget verschlungen – im Vertrauen darauf, dass dieser Ort als Bereicherung des öffentlichen Raums durch die Pudelkultur funktioniert. Zusätzliche 45.000 Euro öffentliches Geld flossen direkt in Baumassnahmen auf dem Pudelgelände, um eine Treppe zu den Toiletten zu bauen, die im Blick des Cafés liegt.

 

Als dem Pudel das Geld für den Umbau ausging, hat Park Fiction ganz direkt 15.000 EUR an den Pudel bezahlt, dadurch das Dach finanziert und im Gegenzug die Mit-Nutzung der Etage als Park Fiction Archiv vereinbart. Das funktionierte eine Weile, Wissenschaftler konnten dort recherchieren, Führungen sich die Wünsche und Produkte aus dem Planungsprozess anschauen, wir konnten den Pudelsalon auch für Veranstaltungen oder Pressekonferenzen von Es Regnet Kaviar benutzen.

Park Fiction Archiv im pudelsalon, als es den noch gab.

All das war nur möglich, weil die Stadt sich dem Druck des entschlossenen Stadtteils gegenüber sah, und weil sie Vertrauen in unser künstlerisch-nachbarschaftlich-subkulturell-soziales Gefüge hatte.

 

2008 haben Rocko und sein Sandkastenkumpel den Pudel gekauft – ohne Park Fiction oder die Pudelcrew vorher zu informieren. Ihr müsst euch vorstellen, dass bis dahin alle Entscheidungen über den Park mit allen Betroffenen diskutiert und erst dann entschieden wurden, meist an für alle öffentlichen Runden Tischen – diese aber nicht. Rocko wollte mit diesem Schritt eigentlich das Haus dem Markt entziehen, doch seine einsame Entscheidung und die  Hereinnahme des kaufmännischen Kompagnons bedeutete faktisch eine Privatisierung des kollektiv erkämpften und erwirtschafteten Raums.

 

Einschub: Pudel, Park und Rocko wollen das jetzt ändern – und haben dafür die Pudel VerFüGe e.V. (Verein für Gegenkultur) ins Leben gerufen. Ziel ist, das Gelände insgesamt zu kollektivieren und wirklich dauerhaft dem Markt zu entziehen.

 

Zusammenfassend gesagt: Park Fiction wie die gesamte Pudelszene (inklusive Rocko) haben das Recht, zu sagen, was dort passiert – wir haben den Ort erkämpft, wir haben den von uns organisierten Planungsprozess und die von uns erkämpften öffentlichen Mittel dafür eingesetzt, und das Haus zum Teil direkt finanziert (den kompletten Rest finanziert der Pudel („unten“), seine Musiker_innen, DJs, Leute die an der Bar arbeiten, Ausstellungen machen, und seine Besucher_innen). An all dem haben die jetzigen Betreiber des Oberstübchens keinen Anteil, sie verstehen das auch nicht und haben andere Interessen.

 

Die Privatisierung des Öffentlichen materialisierte sich schliesslich mit dem Rauswurf des Pudels aus den zwei Obergeschossen.

Pudel Salon geschlossen

Wo Justizsenatorinnen heiraten: Der Ort des Erwartbaren

 

Das fein gesponnene Gefüge aus avantgardistischer Musikkultur und Nachbarschaft funktioniert seit einiger Zeit nicht mehr. Das was in den Obergeschossen jetzt passiert, ist an dieser Stelle das Falsche, nämlich das von einem Restaurantbetrieb Erwartbare. Klar, an anderer Stelle wäre das Oberstübchen völlig OK, normale Gastronomielogik. Aber so, wie der Betrieb konzipiert ist, funktioniert unser Konzept und damit das Gemeinsame zwischen Park und Pudel nicht mehr.

 

Wenn wir jetzt mit Besucher_innen das Archiv anschauen wollen, sind wir gezwungen, Leute zu stören, die an gedeckten Tischen sitzen und erwarten bedient zu werden und ungestört zu essen. Meist muss man einen der bereits Tischdecke und zwei Weingläsern bestückten Tische beiseite räumen, um die Archivinstallation zu öffnen.

 

Nachbarschaftliche, politische, kritische oder künstlerische Veranstaltungen sind in dem so geprägten Setting nicht mehr zu verantworten: Häufig wird das Oberstübchen für geschlossene Veranstaltungen vermietet, für Betriebsfeiern  – oder für die Hochzeit der Hamburger Justizsenatorin. Das Amphitheater liegt – als öffentliche Ressource brach.

 

Wie ich eingangs erzählte, ist der Gezi Park Fiction wieder zu einem Ort des Widerstands geworden. Uns fehlt im Pudel oben ein kollektiver, nachbarschaftlicher, günstiger, erfinderischer und künstlerischer Ort, ein Rückhalt, eine Provokation, eine Basis, um Stadt neu zu denken und zu machen.

 

Vor wenigen Wochen gab es eine gigantische Demonstration – nach dem St. Pauli Spiel zogen 10.000 Leute vom Stadion zu den Refugees im Park.

St. Pauli Fans für Lampedusa Park Fiction 2013

Zeitgleich war im Oberstübchen geschlossene Gesellschaft.

Geschlossene Gesellschaft Oberstübchen  Stripper Hamburg 2013

Dafür hat unser Stadtteil nicht jahrelang gekämpft. Zu viele Gelegenheiten, hier das zu machen, was woanders unmöglich ist, wurden verpasst. Das werden wir nicht noch einmal zulassen.

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Kollektivierung jetzt!

Euer Park Fiction Komitee

Und so war Operation Pudel Verfüge, genau so intensiv wie dieser Deichkind Ausschnitt, nur 5 Stunden länger:

 

Nützliche links:

www.pudel.com

Operation Pudel – Verfüge e. V. facebook Eventseite mit Fotos und Videos

Rote Flora: Aufruf zur Demonstration am 21. Dezember 2013. Guter Text!

Park Fiction zum Oberstübchen April 2013

Niels Boeing zu Oberstübchen Konflikt in den Kulturrissen

Recht auf Stadt Hamburg www.rechtaufstadt.net